Experteninterview zur Legalisierung von Cannabis
Cannabiskonsum ist jetzt legal – Pro und Contra mit Priv.-Doz. Dr. med. Arnim Quante Seit April 2024 dürfen Erwachsene in Deutschland legal Cannabis besitzen und konsumieren. Unsere Psychologin Nele Potrykus hat mit Experte Priv.-Doz. Dr. med. Arnim Quante, Oberarzt in der Friedrich von Bodelschwingh Klinik, Berlin, über Vor- und Nachteile besonders für Menschen mit einem erhöhten Psychose-Risiko gesprochen und an wen man sich bei Symptomen einer Psychose wenden kann. Nele: Was spricht aus deiner Perspektive für die Legalisierung? Wo kann sie hilfreich sein? Arnim: Cannabis ist eine weit verbreitete Droge, die tagtäglich konsumiert wird. Wer es konsumieren möchte, findet in der Regel Mittel und Wege. Die Legalisierung führt nun dazu, dass man als Konsument nicht automatisch eine Straftat begeht, was erst einmal begrüßenswert ist. Es ist meines Erachtens extrem schwierig, auf der einen Seite Alkohol überall zugänglich zu machen, obwohl es sich hierbei genau genommen auch um eine Droge handelt, andererseits aber Cannabis weiterhin zu verbieten. Das ist für viele Konsumenten nicht nachvollziehbar und ist auch schwierig in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen: Denn die Folgen eines übermäßigen Alkoholkonsums sind hinlänglich bekannt und absolut nicht ungefährlich. Hier mit zweierlei Maß zu messen, ist wenig nachvollziehbar. Ähnlich wie bei Alkohol gibt es viele Personen, die Cannabis ohne schwerwiegende Folgen und in Maßen konsumieren. Letztlich kommt es natürlich auch darauf an, wie verantwortlich man selbst damit umgeht. Eine freiere Entscheidung ist nun möglich und damit auch die Entkriminalisierung einer Personengruppe, die es mit oder ohne Gesetz sowieso weiter konsumiert hätten. Nele: Was spricht aus deiner Perspektive gegen die Legalisierung? Wo kann sie, besonders bei Menschen mit Psychose-Erfahrung, gefährlich werden? Arnim: Verharmlosen darf man Cannabis bzw. THC trotz Legalisierung auf keinen Fall. Studien aus Holland bestätigen, dass die Legalisierung auch zu mehr Konsum geführt hat und zum häufigeren Auftreten von Folgeerscheinungen und -Erkrankungen, insbesondere, aber nicht nur, durch Cannabis induzierte Psychosen. Auch amotivationale Syndrome*, depressive Störungen und sozialer Rückzug können Folgen sein. Auch kann eine psychische Abhängigkeit Folge sein, das heißt beispielsweise, dass es Personen u. a. schwerfällt, ohne Cannabis Freude zu spüren oder einzuschlafen. Insbesondere junge Personen, bei denen die Entwicklung noch nicht vollständig abgeschlossen ist, können für solche Folgen vulnerabler sein. Daher finde ich es schwierig, dass bereits 18-Jährige legal konsumieren dürfen. Selbst wenn die Menge begrenzt ist, besteht hier eine größere Gefahr. Meines Erachtens hätte die Legalisierung frühestens erst ab dem 21. Lebensjahr erfolgen dürfen. Dass das gesetzlich schwierig umzusetzen ist, ist natürlich klar, da man ja ab 18 volljährig ist und somit alle Rechte haben dürfte. Aber bei diesem Gesetz ist die Mindestmenge ja auch geringer – daher hätte man meines Erachtens auch die Legalisierung auch erst ab 21 erfolgen können. Dazu kommt die meines Erachtens schon recht große Menge, die man bei sich bzw. zu Hause haben darf. Ich hätte mir gewünscht, dass es regulierte Ausgabestellen gegeben hätte, bei denen man mit Ausweispflicht eine gewisse Menge für den Eigenkonsum kaufen kann. Seien wir ehrlich: Es wird natürlich weiterhin Mittel und Wege geben, Cannabis auch ohne Social Clubs und Eigenanbau zu beziehen. Ein Eigenanbau ist schwer kontrollierbar, Ausgabestellen wären da einfacher gewesen. Für Personen, die bereits eine Psychose hatten, kann Cannabis natürlich noch viel gefährlicher sein. Das Risiko, erneut eine Psychose zu bekommen, ist deutlich erhöht. Und leider bleiben einige Personen dann darauf „hängen“, sprich sind extrem schwer zu behandeln. Hier rate ich in aller Schärfe von einem Konsum ab. Auch bei leiblichen Familienangehörigen von Menschen mit Psychosen besteht ein höheres Risiko. Nele: An wen kann man sich wenden, wenn man bemerkt, dass Cannabiskonsum zu psychischen Veränderungen führt? Arnim: Letztlich kommt das auch auf die Schwere der Symptomatik an. Bei „leichteren“ Veränderungen wie Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen oder dem Gefühl, ohne nicht mehr so gut funktionieren zu können, wären Hausärzte, Suchtberatungsstellen oder aber Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sicherlich gute Ansprechpartner. Niedrigschwellig sind es am ehesten natürlich die Beratungsstellen, auch weil es schwierig ist, Termine bei Fachärzten zu bekommen. Sollten aber schwere Symptome, ggf. auch akut auftreten, kann es auch mal Sinn machen, eine psychiatrische Klinik aufzusuchen, wenn insbesondere wahnhafte Syndrome auftreten. Man kann sich auch an Krisendienste wenden oder an die sozial-psychiatrischen Dienste (SPDi). Auf jeden Fall sollte man sich Freunden oder Angehörigen anvertrauen, damit ggf. auch hier eine erste Hilfestellung möglich ist. Nele: Vielen Dank für das Interview, Arnim! *Unter Amotivation versteht man einen psychischen Zustand der Antriebslosigkeit, der sich durch ein allgemeines Fehlen von Motivation auszeichnet. Hinweis zu inklusiver Sprache Unsere Inhalte richten sich an alle Menschen unabhängig von Geschlecht und Identität. Deshalb verwenden wir auf unserer Website sowohl neutrale, weibliche als auch männliche Formulierungen, während wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung dieser Sprachformen zum Beispiel durch das Gendersternchen verzichten. Alle Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Auch die verwendeten Bilder sind so gewählt, dass sie eine möglichst große Vielfalt abbilden. Foto von Friedrich von Bodelschwingh-Klinik & Illustration von Freepik
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